Biofeedback Anwendung & Wirksamkeit
Die Anwendungsgebiete von Biofeedback sind aufgrund der Vielfältigkeit der Sensoren nahezu unbegrenzt. Primär findet diese Methode Anwendung in den Bereichen Psychosomatik, Schmerztherapie, Psychologie und Psychotherapie. Doch sie wird auch außerhalb des klinischen Bereichs zunehmend genutzt, beispielsweise zur Leistungssteigerung im Sport und Beruf sowie im Training und Coaching.
Es gibt zahlreiche Berichte von Anwendern aus der Praxis und umfangreiche wissenschaftliche Literatur, die die Wirksamkeit von Biofeedback und Neurofeedback belegen. In einer Überprüfung der US-amerikanischen AAPB (Association for Applied Psychophysiology and Biofeedback) aus dem Jahr 2023 wurden viele Anwendungsgebiete auf einer Skala von ‹wirksam und spezifisch‹ bis ‚möglicherweise wirksam‘ eingestuft.
Quelle: Khazan, I., Shaffer, F., Moss, D., Lyne, R. & Rosenthal, S. (2023). Evidence-Based practice in biofeedback and neurofeedback.
Wirksam und spezifisch:
- Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
- Panikstörungen
- Asthma
- Depression
- Diabetes Mellitus
- Erektile Dysfunktion
- Inkontinenz (Erwachsene)
- Präeklampsie
Wirksam:
- Kopfschmerz
- Chronischer Rückenschmerz
- Bluthochdruck
- Reizdarm
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
- Raynaud-Syndrom
- Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)
- Zerebralparese
- Schlaganfall
- Epilepsie
- Peak-Performance
- Inkontinenz (Kinder)
Wahrscheinlich wirksam:
- u.a. Alkohol- und Drogenabhängigkeit
- Fibromyalgie
- Generalisierte Angststörungen (GAS)
- Arthritis
- Autismus
- Tinnitur
- Chemotherapie induzierte periphere Neuropathie
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
- Tumorschmerz
- Phantomschmerz
- Koronare Herzkrankheit
Möglicherweise wirksam:
- Spezifische Phobien
- Chemobrain
- Funktioneller Bauchschmerz
- Hyperhidrose
- Vasovagale Synkope
Häufige Anwendungsgebiete Bio- und Neurofeedback
Stress & Burnout
Biofeedback wird im Rahmen der Behandlung von Stress eingesetzt, um diesen zu therapieren, wenn die Beschwerden bereits überhandgenommen haben, als auch um zu verhindern, dass solche Beschwerden überhaupt auftreten (Prävention). Von EMG-Training, Atemtraining, HRV usw. werden hier eigentlich alle vorher genannten Biofeedback-Modalitäten genutzt.
Verschiedene Feedbacks wie z. B. eine Blume, welche sich immer weiter öffnet, können die Probanden dabei unterstützen, die Entspannung immer weiter fortschreiten zu lassen. Auch als (nicht-klinisches) generelles Entspannungstraining wird Biofeedback genutzt, um aktiv Phasen der Erholung in den Alltag zu integrieren.
Schmerztherapie
Die Schmerztherapie ist neben Stress und Burnout, wohl der Bereich für den die Arbeit mit Biofeedback am Bekanntesten ist. Biofeedback ist bestens dafür geeignet den Teufelskreis des chronischen Schmerzes zu begegnen.
Meist wird hier mittels EMG-Biofeedback gearbeitet (z.B. bei Spannungskopfschmerzen, Rückenschmerzen, Bruxismus). In der Migränetherapie hat sich Temperatur-Biofeedback als hilfreich erwiesen.
Angststörungen
Biofeedback wird auch bei Angststörungen sehr erfolgreich eingesetzt. Auf der einen Seite wird mittels allgemeinem Entspannngstraining das generelle Erregungsniveau gesenkt (was dazu führen soll, dass Angstattacken an sich weniger auftreten).
Andererseits wird auch Expositionstraining genutzt, wobei Bilder, Videos und andere Medien von den angstauslösenden Reizen präsentiert werden, damit Klient lernt mit diesen umzugehen.
Depression
Biofeedback kann die Ziele von kognitiven und verhaltenstherapeutischen Interventionen unterstützen und zur Verbesserung der Selbstwirksamkeit oder der kognitiver Überzeugungen beitragen.
Eine Studie welche unter anderem HRV-Biofeedback nutzte, kam zu dem Schluss, dass Biofeedback eine nützliche Begleittherapie für die Behandlung einer Major Depression zu sein scheint.
Bluthochdruck
Die Erfolge der Behandlung von Bluthochdruck mittels Biofeedback (HRV- und Atembiofeedback, aber auch Temperatur oder Hautleitwertstraining) können auch nach Therapieende aufrecht erhalten werden.
Meist können Medikamente reduziert oder sogar völlig abgesetzt werden (hier gilt wieder: alle Medikamenten-bezogenen Entscheidungen, sind immer nur in Absprache mit Ärzten zu treffen).
Rehabilitation
Oft ist (z.B. nach Schlaganfällen) die vorhandene Restaktivität des Muskels so schwach, dass der Proband diesen kaum oder gar nicht wahrnehmen kann. Auch der Muskelaufbau in der Rehabilitation dieser Muskeln verläuft oft schleppend. Diese Kombination aus Aufwand und kaum sichtbaren Erfolgen führt oft zu geringer Motivation der Klienten. Biofeedback kann hier dabei helfen die Motivation aufrechtzuerhalten, da selbst kleinste Trainingserfolge rückgemeldet werden und der Proband daher seinen Fortschritt wahrnimmt.
Biofeedback kann die Rehabilitation peripherer und zentraler Lähmungen im Vergleich zu konventioneller physikalischer Trainings verbessern, beschleunigen, oder unterstützen.
ADHS
Das Ziel der Behandlung von ADHS mit Neurofeedback ist es, die Frequenzbänder des Gehirns so zu trainieren, dass das Beta-Band (stehend für Aufmerksamkeit) stärker zu aktivieren und das Theta-Band (stehend für Tagträumerei) zu vermindern.
Mittels am Kopf befestigter EEG-Elektroden und kindgerechten Rückmeldungen (Cartoons, Märchen) übt das Kind diese Fähigkeit zu erlernen. Die Erfolge von Neurofeedback bei ADHS gehen hier zeitweise sogar über jene der medikamentösen Behandlung hinaus oder sind mit diesen vergleichbar (Medikamenten-bezogene Fragestellungen sind aber immer vorab mit einem Arzt abzuklären).
Leistungssport
Genauso wie im Berufsleben können Biofeedback und Neurofeedback auch zur Leistungsoptimierung im Sport genutzt werden.
Die Methoden wurden z.B. bereits bei olympischen Athleten, Golfspielern und anderen Sportlern genutzt.
Reizdarm
Insbesondere das HRV-Biofeedback gilt als sehr erfolgreiche Methode zur Behandlung des Reizdarmsyndroms. Studien berichteten hier von Beschwerdefreiheit bei annähernd 70 % der Teilnehmer, wobei der Rest zumindest eine Linderung erlebte.
PTBS
Vor Allem das Atembiofeedback ist in der Behandlung von PTBS sehr populär. Es kann ergänzend zu einer kognitiven Verhaltenstherapie eingesetzt werden. Dieses Vorgehen ist leicht zu ergänzen und gilt als praktische Methode mit hoher Wirksamkeit.
Asthma
Die Behandlung von Asthma mit Biofeedback führt auf zwei Wegen zur Verbesserung. Einerseits erlernen die Klienten, die Angst durch die Bedrohung eines Asthmaanfalls zu verringern, andererseits zeigen sich auch Verbesserungen der Atemkennwerte (insbesondere des forcierten Exspiration-Volumens).
Tinnitus
Oft zeigen sich bei chronischem Tinnitus erhöhte Stress- und Anspannungsniveaus. Biofeedback wird dann genutzt um eben diese Parameter zu beinflussen, z.B. die Anspannung im Kieferbereich. Sehr nützlich ist aber auch der Aspekt den Klienten die psycho-physiologischen Zusammenhänge der Erkrankung vor Augen zu führen.
Diese Form der Behandlung wird gut akzeptiert, zeigt keine Nebenwirkung und führt zu einer deutlichen Verringerung der Tinnitusbelastung.
Verstopfung
Um Verstopfung mittels Biofeedback zu behandeln, werden z.B. Analsonden und EMG-Biofeedback genutzt. Einige Studien fanden eine Überlegenheit dieses Biofeedback-basierten Vorgehens gegenüber anderen Methoden.
Erektile Dysfunktion
Die Behandlung der erektilen Dysfunktion mittels Biofeedback geschieht auf 2 Wegen. Einerseits kann eine beinträchtigte Beckenbodenmuskaltur der Grund für die Beschwerden sein. In diesem Fall wird mittels Anal-Elektroden dieser Bereich trainiert.
Bei psychogen bedingter Dysfunktion wiederum kann Entspannungstraining hilfreich sein, um das Stresslevel des Probanden zu senken.
Stressdiagnostik
Biofeedback wird auch genutzt, um das individuelle Stress- und Erholungsprofil eines Klienten zu erheben. Dies ist sogar ein zentraler Bestandteil der Biofeedback-Therapie, da dieses Profil meist der Ausgangspunkt für das weitere Vorgehen ist.
Spannend ist nicht nur die Reaktion des Klienten auf verschiedene Stressoren (wie Kopfrechnen), sondern auch, wie gut sich dieser in darauffolgenden Entspannungsphasen erholen kann.
Schlafstörungen
Bei der Behandlung von Schlafstörungen mit Biofeedback wird meist eine Art „Schlafprotokoll“ erlernt. Dieses kann aus verschiedenen Elementen aus dem Spektrum von Biofeedback und Neurofeedback bestehen (Muskelentspannung, Temperaturtraining, Neurofeedback…).
Wenn der Klient dieses Protokoll gewissenhaft geübt hat, kann er es zu Hause beim Schlafengehen nutzen, um schneller einzuschlafen.
Beruf
Biofeedback kann auch in nicht klinischen Bereichen wie z. B. der betrieblichen Gesundheitsvorsorge oder dem Erreichen von beruflichen Spitzenleistungen stattfinden. Diese Bereiche wurden in den vergangenen Jahren immer populärer.
Inkontinenz
Recht ähnlich zur Arbeit in der Rehabilitation verläuft auch das Biofeedback-Training bei Inkontinenz. Hier wird mittels Vaginal- und Analelektroden direkt der Beckenoden trainiert. Die Behandlung zeigt Erfolgsraten von fast 80 % und eignet sich auch für die Behandlung von Sexualstörungen.
Morbus Raynaud
Morbus Raynaud wird umgangssprachlich auch oft als Weißfingerkrankheit bezeichnet. Die Betroffenen leiden häufig an kalten Füßen oder Händen. Der Modus der Wahl ist hier ein Temperaturtraining mittels welchem die Klienten erlernen diese Bereiche willentlich zu erwärmen. Die Literatur berichtet hier von Längen zwischen 5-10 Sitzungen (einzelne Personen zwischen 8-16 oder mehr) um das Erwärmen der Hände zu erlernen. Während zu Beginn unter Entspannungsbedingungen trainiert wird, kann das Training später unter Vorgabe von Kältereizen gesteigert werden.